Kleine Kniffe fürs große Geschäft
Engelbert Boos, Christine Boos, Frank
Sieren
Kein Land bietet so große Wachstumsperspektiven
wie China. Aber nur Unternehmen, die die geschäftlichen
Spielregeln des Riesen-reiches kennen und richtig anwenden, gewinnen.
Die
Wirtschafts Woche nennt Ihnen die wichtigsten Erfahrungen und
Grundsätze.
Wie
macht man Geschäfte in einem Land ohne zu-verlässiges
Rechtssystem?
Auf vertragliche Vereinbarungen ist nicht immer
Verlass.
Es wird noch viele Jahre dauern, bis Chinas
Wirtschaft sich auf ein verlässliches Justizsystem stützen
kann.
Deswegen müssen Unter-nehmen andere Wege
finden, um ihre Rechte durchzusetzen.
Chinas Rechtssystem steckt noch in den Kinderschuhen,
und es wird wohl noch Jahrzehnte dauern, bis in dem Land ein
verlässliches
Rechtssystem das wirtschaftliche und soziale Leben abstützt.
Auch nach dem WTO-Beitritt bleibt die Rechtsunsicherheit für
viele ausländische Unternehmen eines der größten
Probleme im China-Geschäft: Wenn die Produkte nicht bezahlt
werden, der Partner heimlich Maschinen kopiert, das Geld des Gemein-schaftsunternehmens
für eigene Zwecke abzweigt, wenn Entscheidungen
des westlichen Managements nicht umgesetzt werden, bringt es meist
wenig, den
Delinquenten vor den Kadi zu zerren.
Obwohl sich das Land bemüht, ein modernes Rechtssystem zu
schaffen – die Umsetzung ist kompliziert. Es wird wohl noch
Jahrzehnte dauern, bis die Rechtspflege von professionell ausgebildeten,
unabhängigen Juristen betrieben wird.
Die Gesetzesmacher bemühen sich derzeit für China um
eine Mischung zwischen europäischem und amerikanischem Rechtssystem.
Während sie langfristig ein auf abstrakten Normen basierendes
System wie in Europa anstreben, wird in der Übergangsphase
auch viel mit dem Fallrecht amerikanischen Musters gearbeitet.
Ausländische Unternehmen werden derweil
mit Sonderregelungen beruhigt. So sind sie etwa nicht in allen
Teilen dem chinesischen
Recht unterworfen.
Je mehr die Marktwirtschaft in China Einzug
hält, desto stärker
bricht überdies die Front Ausländer gegen Chinesen auf.
So können zum Beispiel die Staatsbanken im Streitfall gute
Koalitionspartner sein. Da sie an der Rückzahlung von Krediten
inzwischen sehr interessiert sind und sich nicht mehr voll auf
staatliche Hilfe verlassen können, haben sie auch ein Interesse
daran, dass die Unternehmen reibungslos funktionieren.
Bei Rechtsstreitigkeiten mit Joint-Venture-Partnern
gehen Banken inzwischen sogar teilweise dazu über, die Anteile des chinesischen
Partners zu pfänden. Für das ausländische Unternehmen
ergibt sich damit die Möglichkeit, die chinesischen Anteile
zu kaufen.
Wer über die politische Schiene Einfluss
nehmen will, kann damit drohen, die Stadt oder Provinz zu wechseln.
Manchmal hilft
auch der Gang zur Presse.
Ist die Lage völlig vertrackt, bleibt manchmal
nur die Möglichkeit,
aus der Partnerschaft auszusteigen, um das Unternehmen als 100-prozentige
Tochtergesellschaft oder als Gemeinschaftsunternehmen, aber mit
höherem eigenen Anteil und/oder besserem Partner noch einmal
aufzubauen. Dies ist manchmal einfacher und sogar billiger, als
den Rechtsweg zu gehen. Oft kann die chinesische Seite das Unternehmen
nicht allein weiterführen und muss bald aufgeben. Dies erkennen
auch die dortigen Partner, was für sich eine disziplinierende
Wirkung hat.
[top] Warum sind Chinesen so gute Verhandler?
Chinesen benutzen bevorzugt indirekte Strategien.
Chinesen haben einen Heimvorteil.
Ausländische Unternehmer müssen
sich auf die politischen Notwendigkeiten und Interessen ihrer
Verhandlungspartner einstellen,
um eine Win-Win-Situation herzustellen.
Verhandlungen mit Chinesen sind im Westen
weithin gefürchtet:
Große Delegationen von zum Verwechseln ähnlich aussehenden
Menschen, die mit ausdrucksloser Miene, so als hätten sie
alle Zeit der Welt, um den heißen Brei herumreden, offensichtlich
Unerreichbares fordern und das abends Vereinbarte am nächsten
Morgen wieder infrage stellen.
Der chinesische Philosoph und Stratege SunTsu
hat bereits 350 vor Christus die chinesische Vorgehensweise im
Krieg oder bei Verhandlungen
etabliert. „Benütze den indirekten Weg und leite den
Feind um, indem du ihm einen Köder vorsetzt.“
Chinesen haben überdies jahrtausendelang die Erfahrung gemacht,
dass sie sich kaum auf ihre staatlichen Institutionen verlassen
können, wenn es um das Durchsetzen von Spielregeln geht. Deshalb
sind Beziehungsnetze in China so eminent wichtig.
Aus den kulturellen Erfahrungen und gesellschaftlichen Bedingungen
ergeben sich zwischen dem Westen und China somit folgende Unterschiede
in der Verhandlungstechnik:
- Direkt – Indirekt
- Konfrontativ – Integrativ
- Sachorientiert – Vertrauensorientiert
- Vertrags-Absicherung – Beziehungs-Absicherung
- Regelwerk
starr & klar – Regelwerk elastisch & verzwickt
- Verhandlungen
endlich – Verhandlung fließend
Da es bei Verhandlungen in der Regel um Geschäfte auf dem
chinesischen Markt geht, haben Chinesen zudem die größere
Durchsetzungsmacht.
Wie groß der Druck auch sein mag – ausländische
Verhandlungspartner sollten sich nicht ins Bockshorn jagen lassen,
auch wenn die Methoden noch so kaltschnäuzig sein mögen.
So stand ein chinesisches Verhandlungsteam während des gemeinsamen
Mittagessens plötzlich geschlossen auf und verließ ohne
Erklärung das Lokal. Die westlichen Manager rätselten
zwei Tage lang vergeblich, gegen welche guten Sitten sie verstoßen
haben und gingen völlig verunsichert in die nächste Verhandlungsrunde.
Genau das wollten die Chinesen erreichen. Die Westler hatten gar
nichts falsch gemacht.
[top]
In welchem Ausmass ist die chinesische Wirtschaft
von Vetternwirtschaft geprägt?
Im Alltagsgeschäft müssen sich die
Unternehmen auf Korruption einstellen und Mittel und Wege finden,
mit dieser Tatsache umzugehen.
Aber multinationale Konzerne verlangen immer lauter nach fairen
Spielregeln.
Die Regierung bekämpft die Korruption
immer entschlossener.
Chinas Modernisierung verläuft viel zu stürmisch, als
dass es dabei immer geordnet zugehen könnte. Die Elite, die über
Know-how, Kapitalzugang und Lizenzen verfügt, gebraucht ihre
Privilegien vielfach, um sich auch als neue Elite zu etablieren.
Der frühere Premier Zhu Rongji nutzte den Nationalen Rechnungshof,
um das Übel der Vetternwirtschaft zu bekämpfen. Zhus
Methode: „Wir erschießen einen, um 100 zu erschrecken.“ Im
Jahr 2000 wurde sogar der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen
Volkskongresses, Cheng Kejie, wegen Unterschlagung hingerichtet.
Wenige Monate danach brachte ein Schmuggelskandal in der südchinesischen
Provinz Fujian fast die gesamte Provinzregierung zu Fall. Inzwischen
werden Minister, Bankdirektoren und hochrangige Beamte vor ihrem
Amtsantritt auf Herz und Nieren geprüft.
Für die Kommunistische Partei geht es um viel: Beim Volk
steht ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Nicht weniger wichtig
sind die externen Faktoren. Je mehr Chinas Wachstum von Auslandsinvestitionen
abhängt, desto ernster muss es die Sorgen der internationalen
Konzerne nehmen.
Nach Angaben ausländischer Unternehmen sind in ihren Budgets
nach wie vor stattliche Posten für so genannte Lobbying-Kosten
enthalten.
[top]
Wie baue ich in China ein effizientes Geschäft
auf?
Das China-Geschäft kostet Zeit, Geld und Nerven und ist kein
Rettungsanker für Unternehmen, die zu Hause Probleme haben.
Bei der Wahl des Geschäftspartners sind harte und weiche
Faktoren gleichermaßen wichtig. In jedem Fall gilt: Vertrauen
ist gut, Kontrolle ist besser.
Kopieren und Nachahmen von ausländischen Produkten wird in
China als Kavaliersdelikt gesehen. Daher empfiehlt es sich, das
eigene Know-how rechtzeitig zu schützen.
Sehr wichtig für ein erfolgreiches Engagement auf dem chinesischen
Markt ist ein chinesischer Partner mit Guanxi – Beziehungen.
In China fehlt es vielfach an verlässlichen Institutionen,
die klipp und klar die Spielregeln bestimmen. Und selbst wenn solche
Spielregeln existieren, garantiert das nicht, dass sie auch eingehalten
werden.
Allerdings behaupten viele Partner, gute Beziehungen
zu haben, und später stellt sich heraus, dass dies nicht zutrifft. Außerdem
sind Guanxi kein Ersatz für Kapital, Know-how oder eine Vertriebsorganisation.
Vor allem den Einsatz des eigenen Know-hows
sollten westliche Investoren gründlich bedenken. Ein typischer
Fall: Ein deutscher Hersteller von High-Tech-Nadeln für
die Textilindustrie wollte ein Joint Venture mit dem chinesischen
Marktführer dieser
Branche gründen. Sein Ziel – sich länger-fristig
Marktanteile in China zu sichern. Der Partner, ein chinesischer
Staatsbetrieb, erhoffte sich seinerseits westliches Know-how sowie
eine bessere Auslastung des Betriebes. Schon bald nach Beginn der
gemeinsamen Produktion stellte sich heraus, dass das chinesische
Partnerunternehmen die gleichen High-Tech-Nadeln zu wesentlich
günstigeren Preisen in Eigenregie auf den Markt brachte. Nachforschungen
brachten schließlich zu Tage, dass die Deutschen ganze CAD-Zeichnungssätze
per E-Mail nach China verschickten.
Ebenso wie der Know-how-Transfer muss die
geplante Organisation vor Aufnahme von Geschäftsbeziehungen
auf mögliche Gefahren
und Fehler-quellen hin überprüft werden. Eine klassische
Fehlerquelle ist etwa die Dokumentation von Warenlieferungen.
[top]
Wie finde ich geeignetes Personal?
Westliche Methoden der Personalauswahl lassen
sich nur begrenzt auf chinesische Verhältnisse übertragen.
So genannte Expatriates ohne sorgfältige Planung und Umsetzung
durch lokale Kräfte zu ersetzen, kann großen Schaden
verursachen.
Auch chinesische Mitarbeiter wollen klare Karriereperspektiven.
Vorgesetzte haben Lehrer-, Vater- und Vorbildfunktion.
Beim Training sind chinaspezifische Lernstile
und Gewohnheiten zu berücksichtigen.
Alles in allem müssen Unternehmen für
eine aus Deutschland nach China entsandte Führungskraft pro
Jahr zwischen 150.000 und 200.000 Euro zahlen. Dafür können
sie gleich vier ähnlich
qualifizierte lokale chinesische Mit-arbeiter einstellen. Dennoch
zahlen viele Unternehmer lieber mehr für einen Expatriate,
der mit der Unternehmenskultur des Stammhauses vertraut ist und
so die Gesamtinteressen des Unternehmens vor Ort nachhaltig vertritt.
Doch führt an chinesischen Mitarbeitern kein
Weg vorbei. Etwa 30 Prozent der Stellen werden auf Grund von Empfehlungen
durch
Mitarbeiter, Kunden oder Geschäftspartner besetzt. Einer der
Gründe hierfür liegt im Bewerb-ungsverhalten vieler Chinesen:
Der Lebenslauf wird gerne den Anforder-ungen der jeweiligen Stellenausschreibung
angepasst und entspricht nicht immer den tatsächlichen Kenntnissen
und Fähigkeiten des Bewerbers. Bewerbungsgespräche in
China müssen daher sehr konkret und sehr gezielt geführt
werden.
Westliche Methoden der Personalauswahl, der
Interviewführung
und der Bewertung können dabei nicht eins zu eins auf chinesische
Verhältnisse übertragen werden. Viele Testverfahren wurden
zwar für einen universellen Einsatz konzipiert, sind aber
bei näherer Betrachtung kulturspezifisch und basieren auf
westlichem Denken, westlicher Begrifflichkeit und Abstraktionen.
Bei der Personalsuche und Auswahl empfiehlt es sich daher, auf
externe Personalberater zurückzugreifen, die in beiden Kulturkreisen
zu Hause sind.
Auch in China müssen Motivation und Loyalität der Mitarbeiter
durch Anreize gefördert werden. Sondergratifikationen und
großzügige Urlaubsregelungen zum chinesischen Frühlingsfest,
dem wichtigsten Fest des Jahres, das Gewähren prestigeträchtiger
Statussymbole wie etwa Mobiltelefone oder Geschäftsautos,
zinsgünstige Darlehen für den Kauf einer Wohnung oder
Stipendien für die Kinder sind besonders beliebt.
In China übernimmt ein Vorgesetzter auch über die berufliche
Ebene hinaus Verantwortung für seine Mitarbeiter. Wenn Familienmitglieder
von Mitarbeitern ernstlich krank sind oder sich in sonstigen Ausnahmesituationen
befinden (Heirat, Examenszeit der Kinder, Geburten, Todesfälle
etc.), erwarten Chinesen, dass der Arbeitgeber sich darum sehr
viel stärker kümmert, als dies in westlichen Ländern
der Fall ist. So ist es durchaus üblich, dass Arbeitgeber
Kosten für Operationen oder Bestattungen von Familienangehörigen
ihrer Mitarbeiter übernehmen.
Darüber hinaus hat sich in den Augen der Chinesen ein guter
Chef auch um die Karriere und die Weiterbildung seiner Mitarbeiter
zu kümmern. Eine chinesische a Redewendung besagt: „Wenn
ein Mitarbeiter kündigt, verlässt er nicht das Unternehmen,
sondern seinen Chef.“
Beim Training von Mitarbeitern ist zu beachten,
dass Chinesen Wissen anders erwerben als Europäer oder Amerikaner.
Wegen der Tausenden von Schrift-zeichen haben sie ein besonders
gut trainiertes
Gedächtnis.
Auswendig lernen und die Wiedergabe umfangreicher
Texte oder Zeich-nungen fallen ihnen daher leichter als westlichen
Kollegen.
Da hingegen das kritische Hinterfragen weder
im konfuzianischen noch im sozialistischen System beliebt ist,
führen westliche
Lehrmethoden wie Plenumsdiskussionen, kontroverse Debatten, Fangfragen,
provokante Thesen nicht zum gewünschten Lernerfolg.
[top]
Wie ist das Unternehmen in den internationalen Lieferketten zu
positionieren?
Global erfolgreich agierende Unternehmen integrieren ihr China-Engagement
in einem weltweiten Supply Chain Management (SCM).
Die Beschaffung in China wird strategisch
immer wichtiger für
die inter-nationale Produktion.
Besondere Kostendisziplin verdienen das Bestandsmanagement,
die Transferpreispolitik sowie Materialfluss- und Lagerplanung.
Sie
sind die zentralen Kostentreiber im China-Geschäft.
Chinesische Lieferanten müssen integriert werden, daneben
sind Qualitätssicherung und stabile Produktionsprozesse weiterzuentwickeln.
China ist nicht nur als kostengünstiger Produktionsstandort
für den Export, sondern auch als großer Binnenmarkt
von zunehmender Bedeutung. Viele Unternehmen bauen Fertigungsstätten
in China auf, nutzen dabei aber die Chancen eines Supply Chain
Managements nicht in ausreichendem Maße. Sie verschenken
damit Kosteneinsparungspotenziale von bis zu 30 Prozent der gesamten
Logistik- und Beschaffungskosten.
Multinationale Unternehmen, vor allem aus der Elektronik-, Automobil-
und deren Zulieferindustrie, wollen ihre Produktionsstandorte weltweit
flexibel miteinander vernetzen. Die einzelnen Standorte sind dabei
so in eine globale Versorgungskette einzubeziehen, dass die Vorteile
eines Standorts optimal genutzt und Nachteile minimiert werden.
China ist aus strategischen und Kostengründen einer der wichtigsten
Beschaffungsmärkte der Welt. Die Bewertung des Lieferanten
bis hin zu seiner Integration und Entwicklung zum Systementwicklungspartner
erfordert viel Professionalität und Erfahrung.
Aber nur so können langfristig Qualität
gesichert und Produktionsprozesse stabilisiert werden. Professionell
arbeitende
und gut ausgelastete Fabriken sind auf eine funktionierende Kunde-Zulieferer-Beziehung
angewiesen.
[top]
Wie kommt man an zuverlässige Marktdaten?
China ist groß, einen einheitlichen
Markt gibt es nicht. Den prototypischen Konsumenten gibt es noch
weniger als in Deutschland.
Die Sammlung von verlässlichen
Marktdaten ist mit besonders hohem Aufwand verbunden.
Markenbildung
ist meist ein regionales Geschäft. 1,3 Milliarden Chinesen – macht 2,6 Milliarden verkaufte
Schuhe oder Essstäbchen, denkt sich so mancher. Immer wieder
lassen sich westliche Investoren von der Größe des Landes
blenden. Um Pleiten zu vermeiden, sollte man vor dem Eintritt in
den chinesischen Markt oder einem neuen Investment versuchen, umfangreiche
Analysen zu Standorten, Partnern, Unternehmensformen, Märkten,
Zielgruppen und deren Kaufkraft durchzuführen.
Doch hier liegt die Crux: Die Erhebung empirischer
Daten und Marktforschung stecken in China noch in den Kinderschuhen.
Daten von offiziellen
chinesischen Stellen wie etwa dem National Bureau of Statistics
(NBS) sind mit Vorsicht zu genießen. Ihr Zu-Stande-Kommen
ist oft schwer nachzuvollziehen. Sie werden von den einzelnen Provinzen
und staatseigenen Betrieben an das NBS geliefert. Dabei kommt es
immer wieder vor, dass Provinzen Daten zu ihrem Vorteil manipulieren.
Auch führende Funktionäre in Staatsbetrieben versuchen
gelegentlich, ihre Karriere zu beschleunigen, indem sie Zahlen
schönen. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort „Zahlen
machen Kader, Kader machen Zahlen“.
China ist beinahe so groß wie der gesamte europäische
Kontinent und hat 23 teilweise sehr unterschiedliche Provinzen.
Kaum jemand käme auf die Idee, in Stockholm und Neapel dasselbe
Konsumverhalten zu erwarten. Ebenso unmöglich ist es, der
Bevölkerung Chinas einen einheitlichen Geschmack zu unterstellen.
Neben Sprache und Religion sind auch die infrastrukturellen und
sozioökonomischen Unterschiede zwischen städtischen Ballungsgebieten
und ländlichen Regionen enorm.
Marktforschung ist in China denn auch besonders
gefragt. Tiefer gehende Branchen- und Marktanalysen sowie Konsumentendaten
müssen
sich westliche Investoren selbst beschaffen. International tätige
Markt- und Mediaforschungsagenturen wie etwa AC Nielsen oder Gallup
unterhalten Niederlassungen in China.
Sie arbeiten mit Hochdruck
daran, westliche Forschungsmethoden und -instrumentarien entsprechend
den Anforderungen
der chinesischen
Märkte zu modifizieren, stoßen dabei aber auf diverse
Hindernisse. Konsumenten-befragungen sind durch gesetzliche Bestimmungen
eingeschränkt.
Der Mangel an Informationen erschwert die
Markenbildung. Voraussetzung für den erfolgreichen Aufbau einer Marke sind auch in China
vernünftige Preise sowie ein gutes Qualitäts- und Serviceniveau.
Veraltete Technologien oder Produkte, die im Westen nicht mehr
gefragt sind, lassen sich auch in China nicht mehr an den Mann
bringen. Chinesische Kunden sind meistens bestens über neueste
technische Entwicklungen auf den internationalen Märkten informiert.
Ein Chinese der oberen Mittelschicht kauft
bevorzugt japanische Unter-haltungselektronik, französischen
Cognac und deutsche Autos. Das Bewusstsein für Markenprodukte
generell ist stark ausgeprägt. Ob der Cognac jedoch Rémy
Martin, Martell oder Hennessy heißt, ist ihm meist (noch)
egal. Ebenso, ob auf dem TV-Gerät Sony, Toshiba oder Panasonic
steht oder auf dem Auto Mercedes oder BMW.
Beim Aufbau einer Marke müssen außerdem regionale Besonderheiten
berücksichtigt werden. Es macht oft wenig Sinn, einheitliche
Werbe- und Marketingkampagnen für ganz China zu planen.
Eine Werbebotschaft, die den Geschmack und
die Bedürfnisse
in der Provinz Liaoning im Norden Chinas trifft, verfehlt vielleicht
völlig ihre Wirkung in den weit entfernten südchinesischen
Provinzen Fujian oder Jiangxi.
Dennoch gibt es allen Chinesen gemeinsame Werte wie etwa Nationalstolz,
Familiensinn oder Achtung vor dem Alter.
Generell empfiehlt es sich, für das eigene
Unternehmen einen chinesischen Namen zu wählen, der ähnlich
wie der deutsche Markenname klingt und zugleich eine metaphorische
Bedeutung hat,
die zum jeweiligen Produk-timage passt. Positive Beispiele sind
etwa die Marke BMW, die mit Bao Ma „Wertvolles Pferd“ umschrieben
ist, oder auch Mercedes-Benz: Ben-che heißt übersetzt „galoppieren“.
Auch Siemens hat mit der Umschrift Xi-men-zi eine positive: „das
Tor zum Westen“.
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Wie entwickle ich eine erfolgreiche Vertriebsstrategie?
Ein nachhaltiger Erfolg im Vertrieb setzt eine gute
Kenntnis des Einkaufs-verhaltens voraus.
Da es vielen Kunden an Liquidität mangelt, ist eine hohe
Flexibilität bei Zahlungs- und Lieferbedingungen erforderlich.
Die Erfahrung zeigt, dass auch in China nur
Unternehmen erfolgreich sind, die eine klare strategische Ausrichtung
haben – wie
etwa Kostenführer in einem exakt definierten Marktsegment
zu sein. Eine andere, ebenfalls aussichtsreiche Strategie setzt
auf eine klar umrissene Differenzierungs-politik, die sich durch
wahrnehmbare Unterschiede im Service, etwa durch kundenangepasste
Lösungen oder durch anwendungstechnische Beratung, auszeichnet.
Marketing und Vertrieb ist in China ein besonders
schwieriges Geschäft. Kunden und Wettbewerber verändern
sich ständig.
Entsprechend schlag-kräftig und professionell muss der Vertrieb
aufgebaut und gepflegt werden. Der Mangel an vertrauenswürdigen
und aktuellen Informationen und Marketingdaten sowie die absolute
Notwendigkeit einer kreativen und flexiblen Vertriebsmannschaft
erschweren die Dinge zusätzlich.
Da der chinesische Markt einem sehr dynamischen
Wandel sowie einem harten nationalen wie internationalen Wettbewerb
unterworfen ist,
müssen Marketing und Vertrieb flexibel auf Gegenoffensiven
von Wettbewerbern reagieren können.
Ein nachhaltiger Erfolg im Vertrieb in China
setzt eine gute Kenntnis des Kunden voraus. Viele Kunden leiden
an Liquiditätsmangel.
Deshalb ist Flexibilität bei Zahlungs- und Lieferbedingungen
gefragt, ohne allerdings Risiken des Debitorenmanagements außer
Acht zu lassen. Die Durchsetzbarkeit von Rechtstiteln ist sehr
kritisch.
Bei Neu- und Kleinkunden empfiehlt es sich,
schon bei Vertragsabschluss auf einer sicheren Zahlungsweise
zu bestehen. Notfalls ist es besser,
auf ein Geschäft zu verzichten, als hinterher viel Zeit und
Geld darauf zu verwenden, die Außenstände einzutreiben.
Bei stark verspäteter Abholung oder falls der Kunde es sich
anders überlegt, sind Vertragsstrafen von maximal fünf
Prozent des Warenwertes durchaus üblich. Bei klassischen Projektgeschäften,
die nach Baufortschritt bezahlt werden, dauert es oft lange, bis
die letzten fünf bis zehn Prozent des Rechnungsbetrages bezahlt
werden. Ein Teil hiervon ist oft gar nicht mehr einzutreiben, da
zahlreiche wirkliche und zweifelhafte Mängel und Zeitpönalen
gegengerechnet werden.
Vor allem bei Staatsbetrieben ist es schwierig,
ohne großzügig
eingeräumte Zahlungsziele ins Geschäft zu kommen.
15.09.2003
Eine Story aus dem China-Sonderheft der WirtschaftsWoche.
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